www.intelliExperts.de – Wie hängen individuelle Moralvorstellungen und unternehmerische Interessen zusammen? Sind sie vereinbar oder widersprechen sie sich? Finden Sie es im neuen Blogbeitrag heraus!
Wir möchten für Sie in diesem Blogbeitrag einige Vorüberlegungen zu den Begriffen „Individuelle Moral“ und „Allgemeine Moral“ anstellen. Diese Themen sind hochkomplex und werden in der Philosophie bis heute kritisch diskutiert. Wieso? Weil jedes Individuum und jedes Zeitalter mit unterschiedlichen moralischen Herausforderungen konfrontiert ist.
Individuelle vs. allgemeine Moral, welche Maßstäbe gelten?
Der größte Unterschied zwischen der individuellen oder persönlichen Moral und der allgemeinen oder sozialen Moral besteht in ihren Wertesystemen.
Die zeitgenössischen Werte der Sozialmoral sind auf den Grundprinzipien der Demokratie wie Freiheit, Transparenz, Fairness und Chancengleichheit aufgebaut. Im Gegensatz dazu beruht die persönliche Moral in erster Linie auf Autokratie und einer möglichen Vorherrschaft der eigenen Position und den eigenen Interessen, die durch das System der individuellen Werte verursacht werden können.
Man sieht hier bereits, wie sich diese beiden Positionen in einem Spannungsverhältnis gegenüberstehen und dass das handelnde Individuum in der Gesellschaft dabei jeweils abzuwägen hat.
In der Philosophie versucht man oft, Positionen deutlicher herauszuarbeiten, indem man sich erstmal die Extreme anschaut und dann eine gemäßigte Mitte zu finden versucht. Extreme beider Moralsysteme finden sich überall und durch die ganze Weltgeschichte hindurch. Dabei spielt vor allem ein weiteres Element mit in die Überlegungen zur Moral: Das vorherrschende Gesetz.
Die Moral ist ein selbstauferlegter Regelkatalog, der unsere Handlungen uns selbst und anderen gegenüber rechtfertigen soll. Gesetze sind uns grundsätzlich erst einmal von einer uns fremden Macht auferlegte und gemeinhin von allen Teilnehmern einer Gesellschaft akzeptierte Regeln für den Umgang miteinander.
Das „Recht“ des Stärkeren im Naturzustand
Mit der persönlichen Moral wurde lange Zeit in Gesellschaften hinweg versucht, das „Recht“ des Stärkeren zu legitimieren. Dabei handelt es sich also um einen hochindividuellen Egoismus, welcher sich nicht mit dem Begriff des „Rechts“, wie er beispielsweise in unserem heutigen Rechtsstaat definiert ist, gleichsetzen lässt. Denn, wenn jeder, der stärker ist als ich, mich angreifen kann, dann ist das kein Recht, sondern Willkür.
Die Diskussion um das „Recht“ des Stärkeren, das wie erwähnt kein Recht ist, gibt es schon seit der Antike. Sie kommt auch in Platons Dialogen „Politeia – Vom Staat“ (Mittlere Schaffenszeit) und „Gorgias“ (Frühwerk) vor.
Auch heute werden die dort vorgebrachten Argumente und Themen oft eingesetzt, allerdings in neuer Form.
Wenn es um den „starken Mann an der Spitze vom Staat“ geht (Beispiele finden sich mit autokratischen Regierungschef überall auf der Welt oder in Floskeln wie „Fressen oder gefressen werden“ oder „Wer gewinnt, hat Recht“). Sie dienen alle dazu, den Fokus von den gesellschaftlichen „Verlieren“ abzuwenden, sich mitleidlos zu zeigen oder sich gar nicht erst auf eine Beschäftigung mit in jeder heutigen Gesellschaft vorkommenden Ungleichheit einlassen zu müssen. Staatliche Rechte sind jedoch das genaue Gegenteil von Willkür. Sie sind der Versuch und das ständig zu verbessernde Experiment, unsere Wirklichkeit des Zusammenlebens in einer Gemeinschaft so zu regulieren, dass wir weitestgehend friedlich, gleich vor dem Gesetz und geschützt unser Leben ausleben können. Hier gilt also das Prinzip, gleiche Freiheit für alle innerhalb von kollektiv beschlossenen rechtlichen Grenzen für alle. Dies ist der Gesellschaftsvertrag.
Der Gesellschaftsvertrag soll vor allem ein Heraustreten aus einem Naturzustand sein. Was ist damit jedoch gemeint? Der Naturzustand ist ein hypothetisches Szenario, indem noch keinerlei Gesetze und keine Moral gelten. Mit diesem Gedankenexperiment wird versucht, sowohl die Entstehung von Moral als auch den Zusammenschluss von Individuen zu einer Gemeinschaft und letztlich zu einem funktionierenden Staat zu begründen und zu erklären.
Bei der sogenannten „Vertragstheorie“, auch „Kontraktualismus“ genannt, wird davon ausgegangen, dass die Individuen sich aufgrund natürlicher Interessen aus freiem Willen zu einer staatlichen Ordnung zusammenschließen. Die Überlegungen, die hier bei jedem einzelnen Teilnehmer mitschwingen, sind solcher Art: „Für mich ist es in der Gemeinschaft sicherer als allein. Gemeinsam sind wir stark. Ich muss keine Angst um meine Versorgung oder mein Leben haben.“
Heutzutage gilt eher: Wir werden in eine Gesellschaft und einen Staat hineingeboren und wachsen mit der vorherrschenden Ordnung auf. Wir nehmen auch die vorherrschenden moralischen Codices auf, schlicht durch das Zusammenleben. Umso wichtiger wird daher die Reflexion auf die Entstehung dieser Codices und deren Aktualisierung mit Fragen unserer eigenen, spezifischen Zeit, in der wir leben.
Aus all diesen Faktoren resultieren wechselseitige Beziehungen sowie eine Selbstverpflichtung, den beschlossenen Gesellschaftsvertrag einzuhalten.
Philosophen, die hier grundlegende und weitreichende Überlegungen getroffen haben und die immer bei dieser Thematik fallen müssen, sind: Thomas Hobbes (Leviathan, 1651), John Locke (Zwei Abhandlungen über die Regierung, 1690), Jean-Jacques Rousseau (Der Gesellschaftsvertrag, 1762) und in der Neuzeit besonders John Rawls (Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1971).

Müssen Moral und unternehmerisches Gewinnstreben (hier in Form von erfolgreichen Projekten) Widersprüche sein?
Solange Moral ein Fragen nach „Was ist das richtige Handeln“ und ein individueller selbst auferlegter reflexiver Verhaltenskodex bleibt, der keine Rechtsinstanz außer dem eigenen Gewissen hat, werden moralische Überlegungen immer hinter den rechtlichen Regulierungen zurückstehen. Damit hatte schon Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“ zu kämpfen: Was wollte er am Ende wirklich erlangen: Recht oder persönliche Gerechtigkeit? Daher ist es so wichtig, der Willkür unternehmerischen oder auch persönlichen Handelns durch Gesetzen Grenzen zu setzen.
In dieser Hinsicht widerspricht das unternehmerische Gewinnstreben der Moral. In einer freien Wirtschaft findet so gut wie keine gesetzliche Regulierung statt. Was das bedeutet, sieht man als Negativbeispiel an den USA. Für Arbeitnehmer sind die Bedingungen katastrophal. Mächtige Firmen beschäftigen Kritiker durch sogenannte SLAPP-Klagen (strategic lawsuit against public participation), also Klagewellen solange durchzuführen, bis die Kritiker pleite oder mit ihren Nerven am Ende sind und aufgeben.
Verliert ein Arbeitnehmer seine Stelle, verliert er auch seinen Krankenschutz. Da dieser auch privatisiert und unreguliert ist, sind die Preise horrend.
Der Erfolg eines Projektes hängt unter anderem davon ab, was als Erfolg gilt. Ist das Projekt so umgesetzt worden, dass Gewinn für das Unternehmen entsteht, ist das ein wirtschaftlicher Erfolg. Sind die Mitarbeiter dabei jedoch verheizt worden, ist das trotzdem ein wirtschaftlicher Erfolg des Projektes, aber sicherlich kein moralischer. Dieses Verhalten wird früher oder später auf das Unternehmen und seine Entscheider negativ zurückfallen.
Behindern also Moralvorstellungen effizientes und effektives Arbeiten im Projekt? Moralvorstellungen behindern das Arbeiten im Projekt nur dann, wenn die unternehmerischen Projektinteressen die beteiligten Individuen außer Acht lassen.
Moralvorstellungen können zu Entscheidungen von Projektbeteiligten führen, die dem Projektinteresse entgegenstehen. Andererseits ist die reine Ausrichtung auf die Erreichung der Projektziele ohne Rücksicht auf Verluste unmoralisch. Damit gibt es einen klassischen Zielkonflikt.
Leben wir in Deutschland in einer von unternehmerischem Gewinnstreben dominierten Gesellschaft?
Ja und Nein.
Ja, wir leben in einer Gesellschaft, die sehr durch wirtschaftliches Denken geprägt ist. Deutschland gilt als Wirtschaftsnation, als Exportweltmeister, als Industriestandort. Hinzu kommt, dass die Europäische Union als Wirtschaftsunion gegründet wurde und bis zum heutigen Tag ihre Entscheidungen auch vorrangig von diesem Gründungsgedanken geprägt sieht. Nein, wir leben nicht in einer solchen vorgezeichneten Gesellschaft, weil wir keine freie Marktwirtschaft im Sinne der volkswirtschaftlichen Definition haben.
Vielmehr leben wir in einer sozialen Marktwirtschaft, in der ihr Rahmen durch so wenig Gesetze wie möglich und so viele Gesetze wie nötig abgesteckt ist. Diese Lebensumstände sollten in Anbetracht der Freiheiten innerhalb der Gesetzte, die sowohl der Einzelne als auch Institutionen haben, weiterhin bestehen bleiben und sich kontinuierlich verbessern. Ein Beispiel für diesen Verbesserungsprozess innerhalb Deutschlands sieht man aktuell an den neuen Regularien für die Bundesanstalt für Finanzdienstliestungsaufsicht (BaFin.)
Deren Kompetenzen sollen aufgrund des Wirecard-Skandals erweitert werden, sodass ein schnelles, effizientes und rechtlich einwandfreies Handeln seitens der Behörde möglich ist. Hier sehen wir live den Prozess, wie die individuelle Moral in einer Gesellschaft mit Instrumenten der Rechtsprechung untermauert und gesetzlich gefestigt wird.
Ethisches Handeln und moralische Entscheidungen hängen von der jeweiligen Situation ab und müssen immer wieder neu kontextuell eingeordnet und bewertet werden. Es gibt keine eindeutigen Handlungsempfehlungen. Als moralische Leitlinie kann für Sie als Projektleiter der kategorischen Imperativ Immanuel Kants dienen.
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