Ich kenne kein erfolgreiches Projekt, Sie etwa? Das ist auch kein Wunder. Denn die Frage ist doch, was sind die Kriterien für den Erfolg eines Projektes? Stellen Sie diese Frage, und in 99 Prozent der Fälle kommt die Antwort: „In time, in budget, in scope“. Na klasse, und nun?

Wir alle kennen mindestens eine Projektmanagement-Methode. Ich arbeite zum Beispiel häufig mit PRINCE2. Vielleicht kennen Sie PMBOK, PMI oder IPMA. Nach meiner Erfahrung ähneln sich die verschiedenen Methoden, die ein Projektmanager anwenden kann, inhaltlich und führen auf die eine oder andere Weise zum Ziel bzw. Erfolg. Diese Methoden messen den Erfolg des Projektes mittels belegbarer Zahlen und Fakten.

Ich möchte Ihnen meine Philosophie des Projektmanagements abseits der üblichen Vorgehensweisen erläutern. Die meisten Methoden vernachlässigen essentielle weiche Faktoren wie Kommunikationsfähigkeit, Empathie, Zuverlässigkeit, Engagement, Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein.

Weiche Faktoren haben maßgeblichen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg Ihres Projekts. Deshalb ist es fahrlässig, sie innerhalb eines Projekts zu vernachlässigen. Im Folgenden analysiere ich die sechs genannten weichen Faktoren, die für das Projektmanagement wichtig sind.

Die Kommunikation schärfen

Gedacht heißt nicht immer gesagt.
Gesagt heißt nicht immer richtig gehört.
Gehört heißt nicht immer richtig verstanden.
Verstanden heißt nicht immer einverstanden.
Einverstanden heißt nicht immer angewendet.
Angewendet heißt noch lange nicht beibehalten.

Konrad Lorenz, Verhaltensforscher und Nobelpreisträger

Das fängt im täglichen E-Mail-Verkehr an. Ich frage mich, warum immer häufiger auf Anrede, Grußformel, Interpunktion sowie Groß- und Kleinschreibung verzichtet wird. Was ist schwer daran, kurze und klare Sätze zu formulieren? Warum müssen es so viele Anglizismen und Fremdwörter sein? Und warum werden E-Mails geschrieben, wenn ein Anruf oder der Besuch im nahe gelegenen Büro viel schneller und klarer zum Ergebnis führt?

Über die weit verbreitete Unart von E-Mail-Ketten mit sich ändernden Verteilern, nicht angepassten Betreffzeilen und der Diskussion mehrerer Themen widme ich mich einmal in einem separaten Blogbeitrag…

In Meetings werden häufig Monologe zugelassen, weil es keine Agenda mit Zielsetzung gibt. Zudem gibt es keinen Sitzungsleiter, der konsequent auf die wertvolle Zeit aller Teilnehmer und die Fokussierung auf das Thema achtet. Der Teilnehmerkreis ist oft zu groß, sodass Einige nichts beitragen (können), Andere nicht-zielführende Beiträge leisten oder ebensolche Fragen stellen.

Häufig gibt es kein Ergebnisprotokoll mit Informationen, wer was bis wann erledigt. Wenn sie doch drinstehen, werden sie nicht nachverfolgt oder es wird im nächsten Meeting nicht über sie berichtet.

Telefonieren scheint auch sehr schwierig zu sein, wenn ich den Namen des Anrufers erst auf Nachfrage verstehe und minutenlang nicht klar wird, worum es dem Anrufer geht. Drücken Sie also ihr Anliegen klar und verständlich aus und scheuen Sie sich nicht davor, Nachfragen bei unklaren Aussagen zu stellen.

Ein entscheidendes Element der Kommunikation ist die Körpersprache. Man kann nicht nicht kommunizieren, denn der Körper spricht immer. Leider spricht er nicht immer eindeutig, es kommt auf den Kontext und die Umgebung an.

Verhaltensforscher haben in diesem Zusammenhang herausgefunden, dass sich die Wirkung der Kommunikation aus drei Elementen zusammensetzt: Inhalt, Stimme und Körpersprache. Dabei erzielt die Körpersprache mit 55 Prozent Anteil die größte Wirkung beim Gesprächspartner. Die Stimme folgt mit 38 Prozent und der Inhalt wirkt nur noch mit sieben Prozent.

Wie sagte schon George Bernard Shaw: „Das größte Problem bei Kommunikation ist die Illusion, dass sie stattfand.“

Meine Tipps aus der Praxis für die Praxis:

  1. Persönliche Gespräch, bevor Sie anrufen.
  2. Rufen Sie an, bevor Sie eine E-Mail schreiben.
  3. E-Mail nur dann, wenn es um kurze Mitteilungen oder klare Fragen geht, die eine kurze Antwort erlauben.
  4. Keine Disskusionen per E-Mail. Stellen Sie fest, dass Sie in eine E-Mail-Diskussion verwickelt werden, brechen Sie sie ab und arrangieren Sie stattdessen ein Meeting oder eine Telefonkonferenz.
  5. Die wichtigste in den ersten Satz! Das kann die Hauptnachricht sein und / oder eine Aufforderung zur Handlung. Erst danach Hintergründe und Rahmenbedingungen erläutern. Wenn Sie es umgekehrt machen, besteht das Risiko, dass das Wichtige nicht wahrgenommen wird.

Gehen Sie auf Ihr Team ein

Empathie bedeutet laut dem Institut für Management-Innovation von Prof. Dr. Waldemar Pelz:
Empathie ist die Fähigkeit (und Bereitschaft), sich treffsicher in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer Menschen hineinzuversetzen und auf dieser Grundlage das Verhalten von Menschen oder Gruppen (Teams, Organisationen) zu antizipieren. Empathie steht in einem engen, empirisch belegten Zusammenhang mit dem Erfolg im Leben und Beruf.

Ergänzend dazu definiert Wikipedia Empathie als die Fähigkeit zur angemessenen Reaktionen auf Gefühle anderer Menschen, zum Beispiel Mitleid, Trauer, Schmerz und Hilfsbereitschaft aus Mitgefühl.

Da Projektteams häufig aus der fachlichen Notwendigkeit heraus heterogen zusammengesetzt sind, liegt es in der Natur der Sache, dass sich dort auch viele unterschiedliche Persönlichkeiten mit verschiedenen Hintergründen und Motivationen versammeln. Ein empathischer Projektleiter befasst sich im Rahmen seiner Managementaufgabe individuell mit den Gefühlen und Befindlichkeiten der Teammitglieder und geht entsprechend situativ darauf ein.

Projekte sind häufig geprägt von hohem Druck. Dieser Druck resultiert aus engen zeitlichen und finanziellen Vorgaben und hohen Ansprüchen an die Qualität. Der verantwortliche Projektleiter muss diesen Druck an sein Team weitergeben, um ein erfolgreiches Projekt abliefern zu können. Er braucht jeden einzelnen Mitarbeiter seines Teams!

Doch wer diesen Druck weitergibt, muss auch in der Lage sein, Wertschätzung und Empathie für jeden Mitarbeiter zu zeigen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit signifikant, dass sich das Team, auch in schwierigen Zeiten, über das normale Arbeitspensum hinaus für den Projekterfolg einsetzt. Seine Leistung wird anerkannt. Ihr Verständnis für die Familie, die häufig Überstunden und ungeplante Abwesenheiten ertragen muss, wirkt Wunder.

Zu dieser Empathie gehört auch, sich vor sein Team zu stellen, wenn nicht-empathische Manager unrealistische Leistungen des Teams einfordern. Mein Leitspruch dazu lautet: „Wir haben es immer mit Menschen zu tun – nicht mit Robotern. Diese Menschen haben eine Gesundheit zu verlieren und ein Privatleben, das für die Erholung und Regeneration wichtig ist. Das gilt es zu respektieren.“

Zuverlässigkeit schafft Vertrauen

Ich bin ein Freund von Werten wie Zuverlässigkeit, Verbindlichkeit, Aufrichtigkeit und Respekt. Nur wenige Faktoren können dem Erfolg eines Projekts so sehr schaden wie Unzuverlässigkeit. Kollegen, Gesprächs- und Geschäftspartner sowie Kunden sind darauf angewiesen, sich aufeinander zu verlassen. Man steht in einer Beziehung zu diesen Menschen und trifft Vereinbarungen. Dort, wo es für bestimmte Themen wichtig ist, oder man sogar darauf angewiesen ist, ist Zuverlässigkeit unerlässlich.

Termine und Qualitätsvorgaben müssen in Projekten eingehalten werden. Deshalb ist Unzuverlässigkeit nicht akzeptabel. Oder, um es positiv zu formulieren: wenn ich mich auf jemanden verlassen kann, schafft das Vertrauen. Es motiviert und führt zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit, die nicht selten auch zu einer persönlichen Beziehung, manchmal sogar zu Freundschaften führt. Und – ganz ehrlich – das macht Spaß!

Engagement für das Projekt

Die Hingabe, der außerordentliche Einsatz für ein Projekt – das ist Engagement. Und ohne Engagement jedes einzelnen Projektmitarbeiters ist der Erfolg stark gefährdet (siehe oben die Ausführungen zum Druck im Projekt). Das bedeutet für die Besetzung von Projektteams, dass der fachliche Hintergrund in meiner persönlichen Bewertung von potenziellen Projektmitarbeitern hinter den weichen Faktoren wie Engagement und Zuverlässigkeit zurücktritt.

Engagement äußert sich zum Beispiel darin, dass ein Mitarbeiter Aufgaben beendet, auch wenn es länger dauert. In einem meiner Projekte ging es darum, freitags einen Fehler zu finden und zu beseitigen, der das GoLive am Wochenende verhindert hätte. Ein engagierter Mitarbeiter arbeitete bis Samstagmorgen, 02.00 Uhr, erfolgreich daran und rettete so den GoLive. Das nenne ich Engagement!

Fördern Sie die Eigeninitiative Ihrer Mitarbeiter

Es ist von großem Wert, wenn im Projektteam Mitarbeiter sitzen, denen der Projektleiter nicht immer explizit sagen muss, was sie tun sollen. Er braucht Leute, die ihre Augen und Ohren offenhalten und proaktiv und vorausschauend arbeiten. Zum Beispiel vermeiden oder lösen sie durch ihre Eigeninitiative Probleme, noch bevor sie den Projektleiter erreichen. Oder sie setzen eigeninitiativ Ideen um, die zur Verbesserung der Qualität führen, zur schnelleren Erledigung von Aufgaben führen und / oder der Einsparung von Budget dienen.

Es gibt eine Gratwanderung zwischen selbstständigem Handeln ohne Abstimmung mit dem Projektleiter und der Einbeziehung des Projektleiters, um negative Folgen zu vermeiden. Für den Mitarbeiter, der Eigeninitiative zeigt, ist es eine Kunst, diese Gratwanderung zu meistern. Eine entsprechende Risikobetrachtung der Situation und der Handlungsalternativen gehört dann zum Repertoire des Mitarbeiters.

Auch der Projektleiter muss die Fähigkeit besitzen, Fehler zuzulassen, die ein Mitarbeiter mit Eigeninitiative zwangsläufig macht. Er muss professionell mit Fehlern umgehen. Das heißt, über den Fehler und seine Beseitigung zu sprechen sowie darüber, wie sich dieser Fehler in Zukunft vermeiden lässt. Schließlich sollte der Projektleiter gerade diesen Mitarbeiter bestärken, weiterhin Eigeninitiative zu zeigen. Außerdem muss er sich vor seinen Mitarbeiter stellen, falls er von außerhalb des Projektteams angegriffen wird, zum Beispiel aus dem Fachbereich oder dem Management.

Fordern und fördern Sie Eigeninitiative Ihrer Mitarbeiter. Sie motiviert und führt in der Regel zu besseren Ergebnissen.

Verantwortung auf Mitarbeiter übertragen

Was ist eigentlich Verantwortung? Im Englischen gibt es die Unterscheidung zwischen „responsable“ und „accountable“. Dabei bedeutet „responsable“ die Durchführungsverantwortung, die auch geteilt werden kann. Sie greift bereits am Anfang und während der Durchführung einer Aufgabe. „Accountable“ dagegen ist die Gesamtverantwortung für das Ergebnis einer Handlung oder Aufgabe und kann niemals geteilt werden. Sie greift auch erst nach Abschluss der Aktivitäten. Aus beiden Wörtern wird bei der Übersetzung ins Deutsche „verantwortlich“.

Besitzt jemand Verantwortungsbewusstsein, dann hat er die Fähigkeit, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und bewusst damit umzugehen. Bezogen auf die Projektarbeit bedeutet das, dass der Mitarbeiter nicht einfach drauflos handelt, sondern in angemessenem Umfang die Konsequenzen seines Handelns erkennt, bewertet und die richtigen Schlüsse daraus zieht. Dadurch werden Fehler vermieden oder zumindest deren Auswirkungen minimiert.

Auch hier gilt, wie für die Eigeninitiative: Fordern und fördern Sie verantwortungsbewusstes Handeln. Übertragen Sie Verantwortung auf Ihre Mitarbeiter und unterstützen Sie sie, wenn sie unsicher sind oder Fehler machen. Das Gesamtergebnis wird Ihnen zeigen, dass das der richtige Weg ist.

Fazit

Kritische Erfolgsfaktoren sind in der Regel messbare Größen wie Termine und Budget. Die Qualität der Ergebnisse gehört auch dazu, wenn sie durch messbare Parameter quantifiziert werden kann. Die Messbarkeit macht diese Key Performance Indicators so attraktiv, gaukeln sie doch eine Genauigkeit vor, die sich gut kommunizieren lässt.

Die entscheidenden Erfolgsfaktoren liegen aber in den weichen Kriterien des Projektmanagements. Das merken Sie daran, dass bei Problemen in Projekten die Frage gestellt wird: „Wie konnte das passieren?“ Bei messbaren Kriterien kann man direkt nachschauen, bei weichen Faktoren nicht.

Sie können Probleme vermeiden, die Anzahl von Fehlern reduzieren und die Qualität der Ergebnisse deutlich verbessern, wenn Sie Ihr Team mit klarer Kommunikation und empathisch führen. Ermuntern Sie die Mitarbeiter zur Eigeninitiative, zu Engagement, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit.

Und das Wichtigste: Leben Sie diese Werte stets vor!

Berichten Sie uns in den Kommentaren gerne von Ihren Erfahrungen bei der Berücksichtigung weicher Faktoren innerhalb Ihres Projektteams. Haben Sie Ihnen dabei geholfen, die Arbeit effizienter und erfolgreicher zu gestalten?