Wem kann man heutzutage schon vertrauen?

Sicher ist Ihnen dieser Gedanke auch schon das eine oder andere Mal durch den Kopf gegangen. Jeder von uns wurde schon unzählige Male enttäuscht und hat ein Stück Vertrauen in die Welt verloren.

Was ist Vertrauen und warum ist es wichtig?

Für manche sind dies notwendige Erfahrungen, die zur eigenen Entwicklung beitragen. Andere werden durch solche Enttäuschungen zu Zynikern, die nur noch misstrauisch durch die Welt gehen.

Solche Menschen machen sich ihr Leben jedoch nicht gerade leichter: Die Welt ist dermaßen komplex geworden, dass wir uns ohne ein gewisses Grundvertrauen in den Lauf der Dinge nicht mehr zurechtfinden können.

Vertrauen als Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität

Der Systemtheoretiker Niklas Luhmann beschreibt dies als „Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität“. Ihm zufolge kann Vertrauen entweder Personen oder Systemen entgegengebracht werden.

Laut Luhmann sind Personen dann vertrauenswürdig, wenn ihr Verhalten ihrem früheren Verhalten und ihren Behauptungen entspricht. Auf diesem früheren Verhalten bauen wir Erwartungen auf. Werden diese Erwartungen nicht enttäuscht, so vertrauen wir einer Person.

Systemvertrauen müssen wir komplexen und abstrakten Mechanismen entgegenbringen, deren Funktionalität unsere Vorstellungskraft überschreitet oder sich unserer Kontrolle entzieht:

Wenn wir morgens zur Arbeit fahren, vertrauen wir darauf, dass der Bus pünktlich kommt. Außerdem vertrauen wir darauf, dass der Busfahrer fahrtauglich ist und keinen Unfall bauen wird.

Fahren wir mit dem Auto in die Arbeit, so vertrauen wir darauf, dass sich die restlichen Verkehrsteilnehmer an die Verkehrsordnung halten. Der Verkehr in einer Großstadt wäre nicht möglich, ohne unser Vertrauen in das Verkehrssystem und seine Teilnehmer.

Alle Eventualitäten des komplexen Verkehrssystems selbst zu überblicken, würde unsere Fähigkeiten nicht nur bei Weitem übersteigen: Würden wir an jeder Kreuzung überprüfen, ob sich die restlichen Verkehrsteilnehmer an rote Ampeln halten, bevor wir fahren, so würde der Verkehr schnell stillstehen.

Unsere gesamte Gesellschaft basiert auf Vertrauen

Unsere gesamte Gesellschaft basiert auf dem Prinzip, dass Vereinbarungen getroffen werden und jeder darauf vertraut, dass diese eingehalten werden. Oder zumindest darauf, dass eine Nicht-Einhaltung angemessen bestraft wird.

Überall dort, wo Menschen einem sozialen System ausgesetzt sind, das sie nicht alleine überblicken können, müssen sie darauf vertrauen, dass sich die anderen Teile des Systems so verhalten, wie es von ihnen erwartet wird.

Dies trifft insbesondere auf Projekte zu. In solch temporären sozialen Systemen lassen sich vertrauensbasierte Beziehungen wie in einer Petrischale beobachten:

Auftraggeber müssen darauf vertrauen können, dass ihr Projektmanagement die geforderte Leistung bringt. Das Projektmanagement muss darauf vertrauen, dass die Projektmitarbeiter ihre Arbeit so machen, wie es von ihnen gefordert wird.

Projektmitarbeiter müssen wiederum darauf vertrauen können, dass die Projektleitung weiß, wovon sie redet. Die Projektleitung muss darauf vertrauen können, dass Zusagen des Managements eingehalten werden.

Nur wenn zwischen den verschiedenen Teilen des Projektsystems Vertrauen herrscht, kann wirklich effektiv gearbeitet werden. Nur wenn der Projektmanager das Vertrauen seines Teams hat, können Entscheidungen wirklich zielführend umgesetzt werden.

Warum erfordern Projekte Vertrauen?

Doch warum ist Vertrauen im Projekt so wichtig? Natürlich können Menschen auch dann zusammenarbeiten, wenn sie sich nicht gegenseitig vertrauen. Doch nur Menschen, die sich gegenseitig vertrauen, können effektiv arbeiten.

Modernes Projektmanagement erfordert eigenverantwortliches Handeln, Kreativität und Selbstorganisation. All dies kann jedoch nur in einem Umfeld entstehen, in dem sich gegenseitig vertraut wird.

Natürlich birgt es ein Risiko, den Projektmitarbeitern freiere Hand zu lassen. Doch im Leben jegliches Restrisiko auszuschließen, bedeutet einen unvertretbar hohen finanziellen und zeitlichen Aufwand, den wir auch sonst nicht betreiben.

Weder lassen wir unsere Lebensgefährten rund um die Uhr von Privatdetektiven beschatten, noch schauen wir den Köchen im Restaurant bei der Arbeit über die Schulter.

Fehlendes Vertrauen im Projekt ist teuer

Wer statt auf Vertrauen auf Kontrolle und eigenes Wissen setzt, zahlt dafür enorme Transaktionskosten. Dieses Problem stellt sich verschärft in arbeitsteiligen Projekten, die auf spezialisiertes Wissen Einzelner angewiesen sind.

Projekte als Arbeitsformen sind mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten verknüpft, die nur mit Vertrauen überbrückt werden können.

Ein Projektteam ohne Vertrauen ist kein Team: Es ist lediglich eine Gruppe von Einzelkämpfern, die nebeneinander vor sich hinarbeiten. Einzelkämpfer teilen keine Informationen und streiten sich um Rechte und Verantwortung. Kooperation sucht man hier vergeblich.

In solchen Fällen ist es unwichtig, wie talentiert und kompetent die Projektmitarbeiter sind – ohne Vertrauen werden sie niemals ihr volles Potential ausschöpfen können.

Kommunikation => Vertrauen => Erfolg

Dass der Erfolg eines Projekts stark von effektiver Kommunikation abhängt, ist inzwischen fast ein Gemeinplatz.

Nur auf Basis von Kommunikation und Offenheit ist eine reibungslose Zusammenarbeit möglich. Dies schützt auch vor Missverständnissen.

Gute Kommunikation in Verbindung mit Vertrauen sorgt dafür, dass Vorschläge schneller akzeptiert werden und Probleme effektiv gelöst werden.

Projektmitarbeiter, die sich gegenseitig vertrauen, sprechen offene Punkte direkt an und arbeiten eigenständig. Sie geben nur Zusagen, die sie tatsächlich einhalten können.

In einem Team, das sich gegenseitig vertraut, werden viele Kontrollmechanismen hinfällig: Solange man sich darauf verlassen kann, dass das Gegenüber seine Aufgabe richtigmacht, muss man nicht überprüfen, wie dies geschieht.

Folgen von fehlendem Vertrauen

Gegenteilig verhält es sich in Projekten, in denen das Team sich gegenseitig misstraut.

Projektmanager, die ihrem Team nicht vertrauen, tendieren dazu, Mikromanagement zu betreiben, welches zwangsläufig zu sinkender Effizienz im Projekt führt: Entscheidungen werden so lange verzögert, bis jedes noch so kleine Detail überprüft wurde.

Projektmitarbeiter, die sich nicht vertrauen, investieren mehr Energie in gegenseitige Kontrolle und den Schutz eigener Interessen als in ihre eigentliche Arbeit. Wichtige Informationen werden unter den Tisch fallen gelassen, um eigene Interessen zu schützen. Ideen werden nicht kommuniziert. Meetings werden zunehmend ineffizienter, da Partikularinteressen und Fingerzeigen der Lösungsfindung vorgezogen werden.

Wie erlangen Sie Vertrauen im Projektmanagement?

Sie sehen: Fehlendes Vertrauen ist der Sargnagel eines jeden Projekts. Doch wie erlangen Sie nun das Vertrauen ihres Projektteams?

Vertrauen beginnt normalerweise mit Kompetenz und Vertrautheit. Kompetenz sollten sie mitbringen, Vertrautheit müssen Sie erst erreichen. Sie erreichen Vertrautheit nicht, indem Sie ihre Kompetenz kommunizieren, sondern indem Sie ihre Kompetenz demonstrieren und Ihre Schwächen offenlegen. Wichtig sind dabei einige grundlegende Aspekte:

Offenheit

Ehrlichkeit in Bezug auf eigene Schwächen ist der grundlegende Schritt, um Vertrauen und Unterstützung zu bekommen. Die meisten Menschen haben gerne das Gefühl gebraucht zu werden. Gibt man ihnen zu verstehen, dass man selber auch Schwachstellen hat und Hilfe gut gebrauchen kann, so ermutigt man sie dazu, ihre eigenen Stärken zu zeigen und Unterstützung anzubieten.

So wie offensichtliche Expertise Vertrauen verstärkt, ruft ein ehrlicher Ausdruck von Fehlbarkeit den Eindruck hervor, dass in Zukunft mit ähnlicher Ehrlichkeit und Offenheit zu rechnen ist. Darauf werden ihre Projektmitarbeiter vertrauen.

Transparenz

Hand in Hand mit Ehrlichkeit und Offenheit bei Schwachstellen geht natürlich eine transparente Arbeitsweise: Wie gehe ich bestimmte Probleme an, und warum tue ich dies auf diese Weise?

Nur wer gegenüber sämtlichen Stakeholdern transparent ist, kann auch damit rechnen, dass diese einem vertrauen.

Ebenso ist es wichtig, Kritik gegenüber Teammitgliedern transparent zu machen: Was läuft falsch, wie kann es besser gemacht werden?

Anerkennung und Empathie

Die Erfolge Anderer anzuerkennen und Empathie für ihre Gefühle und Bedürfnisse zu zeigen, ist elementar, wenn man Vertrauen gewinnen will. Hören Sie aktiv und konzentriert zu, wenn Andere Ihnen von ihrem Inneren berichten, schließlich ist dies ein Vertrauensbeweis Ihnen gegenüber.

Je mehr Sie ihrem Gegenüber im Gespräch das Gefühl vermitteln, dass Sie dem Besprochenen Relevanz beimessen, desto mehr werden diese sich anerkannt fühlen und Ihnen vertrauen.

Vertrauen bekommt man nicht verliehen, man muss es sich erarbeiten

Das Vertrauen Anderer zu gewinnen, ist ein Prozess. Vertrauen bekommt man nicht verliehen wie eine Medaille, man muss es sich erarbeiten. Hat man es sich einmal erarbeitet, muss es erhalten werden.

Zeigen Sie durch Ihre Aktionen und Aussagen, dass sie langfristig vertrauenswürdig sind. Das Vertrauen aller Stakeholder zu gewinnen, kostet Zeit und Energie.

Manchmal ist es unmöglich, das Vertrauen aller Beteiligten zu gewinnen. Schaffen Sie es jedoch, ein solides Maß an Vertrauen im Projektmanagement zu etablieren, werden Sie erstaunt sein, wie leicht einige Dinge plötzlich von der Hand gehen. Ohne langatmige Erklärung, ermüdende Kontrolle oder frustrierendes Mikromanagement.

Fazit

Woran können Sie als Projektleiter nun Vertrauen im Projektmanagement erlangen?

Vereinfacht gesagt haben Sie das Vertrauen Ihres Teams, wenn ihre Mitarbeiter davon ausgehen können, dass

  • das, was Sie sagen der Wahrheit entspricht: Machen Sie Ihre Entscheidungen transparent und informieren sie Ihr Team über die Gründe. Zeigen Sie, dass Ihre Interessen sich mit denen des Teams decken. Die Projektmitarbeiter sollten davon ausgehen können, dass Sie alle die gleichen Ziele erreichen wollen.
  • auf das, was Sie kommunizieren Verlass ist: Machen Sie keine leeren Versprechungen und behalten Sie den Überblick über das, was Sie versprochen haben.
  • Sie für Ihren Job qualifiziert sind: Demonstrieren Sie Ihre Projektmanagement-Skills, anstatt darüber zu reden.
  • Sie ihrem Team vertrauen: Vertrauen funktioniert nur in beide Richtungen. Haben Sie ein grundsätzliches Vertrauen in das Können Ihres Teams und gehen Sie davon aus, dass dieses liefert, was von ihm erwartet wird. Das Stichwort lautet hier intrinsische Motivation.

Vertrauen kann immer enttäuscht werden. Trotz aller Absicherungsversuche birgt Vertrauen also immer ein Risiko. Vertrauen in jemanden zu setzen, ist zwar notwendig, doch stets freiwillig. Es kann nicht verlangt werden, es kann einem nur geschenkt werden.

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