Wie gestaltet sich der Arbeitsalltag einer Projektassistentin? Tatjana Reiß kennt die Höhen und Tiefen des Projektmanagements. Sie arbeitet seit mehr als zehn Jahren im Bereich Projektassistenz und berichtet uns über die Herausforderungen, die diese Aufgabe mit sich bringt. Der Projektassistenz-Blog hat sich zu einem Interview mit ihr getroffen.

PROJEKTASSISTENZ-BLOG: Sie arbeiten heute als Projektassistenz. Wie sind sie zu diesem Aufgabenbereich gekommen?

Tatjana Reiß: Angefangen habe ich meine berufliche Laufbahn 1985 mit einer Ausbildung als staatlich geprüfte Fremdsprachensekretärin für Englisch und Französisch. Mittlerweile spreche ich auch noch Spanisch, Griechisch und Russisch. Bei meinem ersten Arbeitgeber bin ich insgesamt zehn Jahre geblieben, bevor ich mich dazu entschloss, neue Herausforderungen anzunehmen.

Ich habe zunächst einmal eine Weiterbildung zur Managementassistentin gemacht. Anschließend war ich mehr als zehn Jahre bei Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen als Managementassistentin tätig. Die persönliche Betreuung als klassische Sekretärin wurde dann nach und nach weniger. Ich habe mich hin zu kleinen und eigenständigen Aufgaben sowie eigenen Mini-Projekten orientiert, bevor ich in den Projektbereich als PMO gewechselt bin. Das hat mir sofort super gefallen.

Was jedoch schon länger in mir schlummerte, war der Schritt in die Selbstständigkeit. Ich hatte während meinen vorherigen Stationen immer das Gefühl, nicht voll ausgelastet zu sein. PMO gefiel mir als Aufgabenfeld sehr gut und nachdem mich eine Freundin in dem Gedanken bestärkte, beschloss ich, einen Businessplan auszuarbeiten. So bin ich schließlich auch in den Bereich Selbstständigkeit und Mitarbeit im PMO gekommen.

Ein aktuelles Thema unseres Blogs sind Zertifizierungen. Haben Sie Zertifizierungen und wie schätzen Sie deren Bedeutung ein?

Für meine Funktion als Projektassistenz habe ich persönlich keine Zertifizierungen gemacht, es war ein fließender Übergang von Fremdsprachensekretariat über Managementassistenz zu Projektassistenz und ergab sich einfach.

Im selbstständigen Bereich ist es trotzdem immer von Vorteil, seine Fähigkeiten auf dem Papier belegen zu können. Daher bin ich aktuell dabei, mich als IHK-geprüfte Projektleiterin zertifizieren zu lassen. Außerdem möchte ich den Kunden damit zeigen, dass ich als Freelancer an Weiterentwicklung interessiert bin – auch jenseits der magischen Grenze von 50 Jahren.

Man hört und liest oft, dass das Stresslevel im Projektmanagement in manchen Fällen bis hin zum Burnout führen kann. Haben Sie solche Erfahrungen auch schon gemacht und was ist ihr Erfolgsrezept, um den Stress dabei nicht vollständig an sich ranzulassen?

Also ich persönlich sehe diesen Punkt weniger kritisch als viele andere, da bin ich ganz ehrlich. Denn wenn man es mal ganz simpel betrachtet, läuft ein Arbeitstag doch in etwa so ab: Man geht jeden Morgen ganz entspannt mit hohen Schuhen ins Büro, sitzt acht Stunden auf seinem Sessel. Und selbst wenn man dabei mal etwas falsch macht, die Welt dreht sich weiter und geht nicht von heute auf morgen unter.

Mir macht meine Tätigkeit als Projektassistenz einfach so viel Spaß, dass ich hier oft nicht nachvollziehen kann, weswegen andere Leute sich überhaupt erst so viel Stress machen. Und durch dieses hohe Stresslevel natürlich auch zwangsläufig in die Gefahr eines Burnouts abrutschen.

Würden Sie denn trotzdem zustimmen, dass die Tätigkeit als Projektassistenz dabei durchaus auch vielseitig und abwechslungsreich sein kann? Falls ja, was sind denn persönlich ihre liebsten drei Tätigkeitsfelder oder Aufgaben?

Ich liebe es, mit PowerPoint zu arbeiten – das ist ein bisschen wie Puzzeln oder ganz salopp gesagt „bezahltes Spielen“. Andere Leute gehen beispielsweise zum Yoga um ihre innere Ruhe zu finden, ich sitze gerne vor dem Rechner und schiebe Objekte und Textfelder von links nach rechts (lacht). Mein Umfeld merkt natürlich auch schnell, dass ich hierfür zu begeistern bin.

Durch meine Ausbildung arbeite ich wahnsinnig gerne mit Sprachen. Hier muss ich gar nicht viel nachdenken und kann mich mit unterschiedlichsten Menschen aus allen möglichen Kulturen austauschen und verständigen. Wenn einem das liegt, dann gibt es wohl kaum etwas Schöneres bei der Arbeit.

Ansonsten jongliere ich auch sehr gerne mit Zahlen. Oft hat man ja über Teilprojekte auch gewissen Budgets zu verwalten. Ich sehe diese Aufgabe schon in gewisser Weise als eine akribische Terrier-Arbeit, aber mache sie gerne und habe Spaß dabei, solche Herausforderungen zu lösen und systematisch abzuarbeiten.

Wichtig ist mir aber vor allem eines: Abwechslung und Tätigkeiten mit unterschiedlichen Ansprüchen. Gerne auch mit wechselnden Ansprechpartnern und einem abwechslungsreichen Arbeitsumfeld. Denn nichts ist langweiliger als von morgens bis abends immer nur dasselbe zu tun. Zumindest ist das schon immer mein persönlicher Anspruch an meine berufliche Tätigkeit gewesen.

Lesen Sie an dieser Stelle: Die Aufgaben einer Projektassistenz.

Die Zusammenarbeit zwischen Projektassistenz und Projektleiter kann durchaus sehr intensiv sein. Wie wichtig ist es, dass dieses Duo auf persönlicher Ebene gut miteinander harmoniert und wie gehen Sie selbst mit sich abzeichnenden Konfliktsituationen um?

Es ist schön und nett, wenn ich mich super mit der Projektleitung verstehe – dann läuft alles besser und runder, das liegt auf der Hand. Ich bin mittlerweile aber bedingt durch meine langjährige Berufserfahrung nicht mehr ganz auf diese Idealvorstellung der Zusammenarbeit angewiesen. Denn letztlich weiß ich in 99% meiner Aufgaben, wie es abläuft, was ich zu tun habe und kann mich entsprechend auch voll darauf konzentrieren und mich im Notfall weitestgehend zurückziehen.

Wenn es hart auf hart kommt, kann ich auch ein schwieriges Verhältnis gut aushalten und trotzdem meinen Job gewissenhaft und gut erledigen. Wenn Konflikt herrscht, denke ich mir einfach: Ich bin Freiberufler und verdiene in dieser Zeit einen Haufen Geld – auch diese Zeit wird vorrübergehen und ich mache bis dahin einfach das Beste daraus. Und wenn gar nichts mehr hilft, dann habe ich für mich die Gewissheit, dass ich den Job jederzeit wieder hinschmeißen könnte und innerhalb weniger Wochen wieder ein neues Projekt finde.

Beschreiben Sie unseren Lesern einmal sowohl die erfolgreichste als auch die schlimmste Situation in Ihren Projekten bisher – und natürlich auch wie Sie jeweils damit umgegangen sind.

Das schlimmste Erlebnis bisher war, dass ich mal für sechs Wochen in einem Projekt tätig war und man mir jeden Tag aufs Neue erzählte, wie hochwertig meine Arbeit wäre und dass man sehr zufrieden sei. Freitags gab es dann regelmäßig Telefonkonferenzen und an meinem letzten Freitag in diesem Unternehmen sollte ich diese Telko organisieren und durchführen.  Dafür hat man mir einen Lautsprecher in die Hand gedrückt, der weder mit dem von der Firma zur Verfügung gestellten Equipment funktionierte und auch mit meiner eigenen Hardware konnte ich hier nichts erreichen. Und letztlich hat diese Verzögerung der Konferenz auch dazu geführt, dass ich am darauffolgenden Montag aus dem gesamten Projekt entlassen wurde, weil ich angeblich unfähig wäre. Zum Glück hatten wir in meinem Arbeitsvertrag aber entsprechende Fristen und Szenarien schriftlich fixiert, so dass sich die Lage zumindest einvernehmlich abwickeln ließ und die böse Überraschung nicht ganz von heute auf morgen eintrat.

Das schönste Erlebnis hatte ich als Leiterin in einem großen Projekt mit insgesamt 36 Teilprojekten, das auf eineinhalb Jahre insgesamt angelegt war. Da habe ich unglaublich viel Zeit und Energie in das Gelingen des Projekts investiert. Und dann wurde ich ziemlich überrascht, denn alle Teilprojektleiter haben nach Abschluss und Abgabe des Projekts eine gemeinsame Party geschmissen – extra für mich, um Danke zu sagen und das, was ich geleistet habe, zu würdigen. Das hat mich damals wahnsinnig positiv überrascht und natürlich sehr beeindruckt – einfach ein unbeschreibliches Gefühl auf einer Party zu sein, die einem selbst gewidmet wird.

 

Arbeitsalltag Projektassistenz Interview mit Tatjana ReißTatjana Reiß arbeitet seit mehr als 30 Jahren im Bereich Assistenz. Sie hat sich vor zehn Jahren im Bereich Projektassistenz selbständig gemacht und ist auch für IntelliExperts tätig.

Mit dem PROJEKTASSISTENZ-BLOG sprach sie über Stress im Berufsalltag und die Herausforderungen, die die Selbstständigkeit mit sich bringt.

 

Sie konnten neben dem üblichen Bewerbungsprozess sicher auch schon Erfahrungen mit der Vermittlung durch Personaldienstleister sammeln. Worauf achten Sie hier und gibt es irgendwelche Standards oder Faktoren, die Ihnen dabei sehr wichtig sind?

Es muss ein Umgang auf Augenhöhe sein. Nicht nur, was die vorherigen Absprachen mit dem Dienstleister selbst betrifft, sondern auch der Umgang mit mir beim Gespräch mit dem Kunden selbst ist dabei ein ganz wichtiges Moment. Mir liegt es auch immer am Herzen, mehr als nur eine Nummer in der Kartei zu sein. Ich lege also Wert darauf, dass man auch über das, was ich tue und leisten kann, Bescheid weiß und mir zudem ausreichend Vorlauf für Antworten, Unterlagen oder Ähnliches gewährt.

Wie gesagt, ein Umgang auf Augenhöhe ist entscheidend – auch wenn mir bewusst ist, dass ich laut offizieller Hierarchiestufe oftmals „nur“ das kleinste Rädchen im Projekt – zumindest auf dem Papier – darstelle. Und genau diese Feinheiten merkt man oft schon sehr früh in den Gesprächen, noch bevor es schon wirklich um Details im Arbeitsvertrag selbst geht. Wenn das Miteinander für mich passend ist, bin ich, was das Thema Vermittlung über Dienstleister anbelangt, auch ein Freund von langfristiger Zusammenarbeit. Gerade die freiberufliche Projektassistenz wechselt ja häufiger den Job. Daher ist es mir wichtig zu wissen, dass ich mich auf meinen Partner in der Vermittlung verlassen kann und wir hier beide langfristig gut miteinander zusammenarbeiten können.

Gibt es noch einen guten Tipp oder Ratschlag, den Sie unseren Lesern zum Abschluss mit auf den Weg geben möchten?

Das Berufsleben sollte nicht schwer und belastend sein, dass macht das Leben und den Alltag einfach entspannter für alle Menschen um einen herum. Und dabei sollte man eine Sache auch nie vergessen: Ängstlichkeit und Vorsicht sind zwar sehr deutsche Tugenden, aber diese sollten idealerweise weder das berufliche noch das private Leben gänzlich prägen. Wer das Leben nicht immer ganz so ernst sieht, dem passieren manchmal unvorhergesehene Chancen und Dinge, die man so nicht hat kommen sehen.

Ich bedanke mich an dieser Stelle herzlich bei Ihnen für das ausführliche und aufschlussreiche Gespräch.